Japan

Episode 4 – Sag: Fujiiiiiiiiiii.

Nach einer Tagung in Tokio beschliesse ich, meinem Wunsch nach der Besteigung des Mt. Fuji wenigstens geografisch ein Stück näher zu kommen (im April liegt leider noch Schnee). Ich begebe mich auf eine rund vierstündige Bustour in die Five Lake Region und verbringe knapp zwei Tage in Kawaguchiko.


Die Region ist sehr touristisch, wird aber wohl zunehmend von Tagestouristen besucht, denn es stellt sich heraus, das Dorf ist ein verschlafenes Nest. Man findet merklich weniger Englisch sprechende Leute (zum Beispiel in Hotels) und vor allem keine Restaurants, die abends geöffnet haben. Ich sage nur, zum Glück gibt es Jasons. Die japanische Antwort auf 7 Eleven. So wird mein Zimmer – in der Grösse einer Schuhschachtel aber nach Re-Arrangement der Möbel einigermassen begehbar (grandios an Japan, dass ja dann der Sessel genau unter den Tisch und der Tisch mitsamt Sessel unter das Tablar mit dem Fernseher passt! Unvorstellbar in Europäischen Hotels….) und mutiert zum ‚All inklusive Resort‘ in welchem ich einen kleinen Mittagssnack und auch das Abendessen einnehme. Allerdings haben alle weiteren Mahlzeiten die dem Frühstück folgen, eh ‚verloren‘. Zu lecker sind all die Kleinigkeiten in zig verschiedenen Schälchen und dass ich mein Spiegelei grad selber am Tisch brutzeln kann, ist DAS Highlight!


Vielleicht war mir der Wettergott deshalb nicht hold, weil ich schlicht nicht alles aufessen konnte… Mein Ausflug zur Chureito Pagoda fiel leider komplett ins Wasser aufgrund von Dauerregen und die Aussicht auf Mt. Fuji musste ich mir denken. Tags zuvor sah ich auf einem Spaziergang durchs Dorf nebst blühenden Kirschbäume den Berg zumindest aus der Ferne.


Am Tag der Abreise, strahlender Sonnenschein! So knipse ich – mit unzähligen anderen Frühaufstehern – doch noch ein, zwei, drei, fünf …. Bilder des majestätischen Berges. Eines kitschiger als das nächste, ganz passend zur Werbung aus den Achtzigern. Sag: Fujiiiiiiii!

 

Episode 3 – Dichte(r). Denker. Ordnung.

Unter normalen Umständen wäre ich direkt nach Kyoto gereist. Aber was ist schon normal. Mein Reiseplan: Landung, aus Singapur kommend, um 6 Uhr morgens in Seoul. Dort den Erstflug unserer A380 mit einer kleinen Ribbon Cutting Zeremonie mit Medien begleiten. Um sieben Uhr abends Weiterflug nach Osaka. Da verpasse ich leider den Anschluss-Zug um ein paar Minuten weil die Schlange am Ticketschalter ein Tic zu langsam vorrückt. So brause ich mit dem ‚HARUKA Express‘ (zwar nur ein kleiner Bruder des Shinkansen, aber auch ziemlich rassig) durch die Nacht und erreiche Kyoto kurz vor Mitternacht.

Normal wiederum ist, dass ich mir ein zünftiges Programm fürs Wochenende vorgenommen habe: Als erstes besuche ich den Heian Jingu Shrine (wunderbarer Teich mit Seerosen und Grün soweit das Auge reicht und – oha – einem Hochzeitspaar). Von da geht es weiter zum Ginkakuji Temple, dem sogenannten ‚Silver Pavilion‘. Ein Rundweg führt durch die Anlage und individuelles Anhalten zum Fotografieren ist eher schwierig wenn frau den Verkehrsfluss nicht behindern will. Ich riskiere trotz böser Blicke ein paar Bilder der Formationen aus Sand.


Ausreichend Platz – und Ruhe – habe ich anschliessend auf dem Philosophen Weg. Wahnsinnig idyllisch führt dieser rund zwei Kilometer entlang eines Baches durch Wohnquartiere. Hie und da ein Café oder ein Laden mit handgefertigten Waren. Und natürlich den obligaten Getränkeautomaten. Die gibt es in Kyoto wie beleuchtete Christbäume zur Weihnachtszeit, die mein Bruder und ich früher jeweils um die Wette gezählt hatten. Hier hätte ich bestimmt gewonnen!
Ich nähere mich der Innenstadt. Es ist Lunch-Zeit. An der Pontocho Street bauen im Sommer die meisten Restaurants ihre Terrassen über den Kamor River und tout Kyoto scheint an diesem Samstag auf den Beinen zu sein. Ich flaniere mitten im Gewusel durch die Gassen des Gion-Viertels. Tradition und Moderne im Gleichschritt. Im Laufe des Tages hatte ich noch bereut, kein Fahrrad ausgeliehen zu haben. Das machen die meisten und da Kyoto mehrheitlich flach ist, ist es eigentlich ideal, um von Tempel zu Tempel zu pedalen. Hier bin ich jedoch froh, muss ich nur mich und nicht auch noch ein Rad durchs Gedränge manövrieren.

Am Tag zwei breche Richtung Fushimi Inari-Taisha Shrine auf. Das Gedränge auf den ersten paar Hundert Metern zum Eingang ist massiv. Dank meiner etwas längeren Beine setze ich mich auf dem Weg auf den 233 Meter hohen Mt. Inari nach kurzer Zeit ab. Die Stille im Wald ist eine Wohltat und das Farben- und Lichtspiel mit den orange färbenden Bogen üben schon fast meditativen Charakter auf mich aus. Auf dem Abstieg treffe ich auf  unzählige neue Besucher, einer dem anderen dicht auf den Fersen. Im nahegelegenen Tofuku-ji Temple erwische ich einen guten Slot und die ersten paar Minuten sitze ich praktisch alleine im Innenhof und kann in Ruhe die Muster im Kies betrachten.
Die Dichte an Tempeln und Shrine ist mit irgendwas um die 1500 Stück immens. Ich brauche dann doch mal Pause und stoppe auf dem Weg nach Norden am Hauptbahnhof. Die Architektur steht im krassen Gegensatz zu jener all der Tempel. Mein Menü ist ebenfalls Kontrastprogramm und statt lokale Speisen gibt es einen Salat. Beim Auspacken staune ich nicht schlecht: Da hat mir die Bedienung doch tatsaechlich ein Mini-Kuehl-Beutelchen zu meinem Salat gelegt. DAS ist Kundenservice und japanische Liebe zum Detail!
Ein bisschen abstrakter zeigt sich spaeter der Garten des Ryoanji Temples. Beim Eintreten heisst es: Schuhe ausziehen. Und so stehe ich kurz darauf etwas benommen (!) vor dem Garten bestehend aus 15 Steinbrocken. Kein Baum, keine Pflanze um die Gedanken nicht zu stören. Egal aus welcher Perspektive man auf den Garten schaut, nie sind alle auf einmal zu sehen. Immer versteckt sich einer. Genial.

Absolut keinen klaren Gedanken fassen kann ich tags drauf beim Besuch des Rokuon-ji Temples, auch Kinkaku (Golden Pavilion). In der Zwischenzeit hat der Business Teil meines Aufenthaltes begonnen und der Besuch ist Teil des Programms. Wir folgen unserem Guide, die sinnigerweise den Namen ‚Show Me‘ (so übersetzt sie ihren japanischen Namen) und den obligaten Schirm (aufgespannt von wegen Sonneneinstrahlung wohlverstanden) trägt. An neuralgischen Punkten gibt es teilweise kein Durchkommen. Ich bin sicher, das war nicht die Idee der Erfinder respektive Erbauer des wunderschönen Pavillons. Ich versuche mir vorzustellen, wie traumhaft es wäre, einfach da sitzen zu können und die wahnsinnige Szenerie betrachten zu können. Meditation pur.
Wenig später im Sanjusangen-do Temple ist Fotografieren leider verboten. Nicht nur, weil ich zu gern die Socken mit ‚tu den Tiger in den Tank‘-Muster des einen Länderchefs fotografiert hätte. Nein, primär um die 1001 Buddha-Figuren festzuhalten, die in einer langen Halle dicht an dicht den Besucher zugewandt stehen. Faszinierend und etwas beklemmend zugleich.
Von da geht es weiter zum Tenryu-ji Temple wo es wiederum Schuhe ausziehen heisst, bevor wir von einer Art Veranda auf den Garten schauen und die satten Farben einsaugen, welche die tiefstehende Nachmittagssonne zaubert.
Es bleibt noch Zeit für einen kurzen Spaziergang im angrenzenden Bambuswald wo es angenehm kühl ist. Da Kyoto in einer Art Kessel liegt sind die Temperaturen um die 30 Grad für Ende Mai erstaunlich hoch. Die bewaldeten Hügel muessen im Herbst ein sensationelles Farbenspiel bieten. Ladies, ich glaube, wir müssen eine zusätzliche Destination auf die Shortlist setzen!
Zum zweitletzten Mal an diesem Tag heisst es dann erneut: Schuhe ausziehen. Wir sind zum Nachtessen in einem Ryokan angekommen, sitzen (zumindest ich mit nackten Füssen) auf ungewöhnlich niederen Stühlen und erleben bei jedem Gang neue Aromen, Kombinationen und Nahrungsmittel-Konsistenz. Die Karte ist hübsch anzuschauen, aber an welcher Stelle der Speisereihenfolge wir gerade stehen, erschliesst sich uns leider nicht. Traditionellerweise wird in solchen Ryokans nach dem Essen im selben Raum auf Tatami Matten geschlafen. Da reichlich Bier fliesst sind wohl viele froh, dass unser Regionalchef die ursprüngliche Idee mit dem ‚Massenlager-Feeling‘ nicht durchgezogen hat.
Beim Gang auf die Toilette bin ich gespannt. Ich hatte mehrfach darüber gelesen und in der Tat stosse ich an der Türe auf Holz-Zoggeli, die man sich für die Abwicklung des Geschäfts anzieht und beim Verlassen der Toilette wiederum dort zurück lässt.
Die Reservation zum Essen wurde offenbar für die Dauer von zwei Stunden gemacht. Die beiden Gastgeberinnen machen uns zehn Minuten vor Ablauf dieser Zeit freundlich darauf aufmerksam. Es muss eben alles seine Ordnung haben und wir verlassen das Lokal – wohl oder übel – um halb neun. Eine weitere Ordnung gilt für die Verabschiedung: als wir im Taxi wegfahren, steht die Belegschaft vor dem Lokal und verbeugt sich mehrmals tief. Da erstaunt es mich wenig, als der Länderchef im Taxi erzählt, dass auch die Art und Weise, wie ein Bank überfallen werden darf, in Japan klar geregelt ist. Das ist nämlich nur mit einem Holzschwert erlaubt. Es könnte ja sonst jemand verletzt werden.
Als ich zum letzten Mal an diesem Tag meine Schuhe ausziehe, denke ich nicht nur darüber nach, dass ich für den nächsten Besuch in Kyoto nur Schuhe ohne Schnürsenkel einpacke. Nein, die Gedanken müssen nach diesem gross(artig)en Kino der vergangenen Tage erst mal sortiert werden. Wie hilfreich wärre es, wenn mir – wie am nächsten Tag am Hauptbahnhof (da begleitet uns doch tatsächlich ein freundlicher Japan Railway Mitarbeiter zum Perron und zeigt uns genau, unter welchem Schild wir uns einreihen müssen) – beim Ordnen helfen würde. Ich bin aber am Ende froh, bin ich mein eigener Meister über das kreative Gedanken-Chaos im Kopf und schaffe langsam, langsam Ordnung in die Erlebnis-Dichte!


Episode 2 – Kirschblüten? Verpasst. Essen? Himmlisch!

Beim zweiten Besuch gestaltet sich die Anreise ins Hotel etwas weniger turbulent. Ab NRT fährt ein direkter Bus. Allerdings erst um 8 Uhr. Da ich das Frühstück im Flugzeug verschlafen habe, muss ich mich jetzt gedulden, bis die Verkäuferin am Flughafen in Seelenruhe alle Plakate aufgehängt und Stühle zurechtgerückt hat, bevor sie mir zum Koffein-Kick verhilft. Nach dem Abstecher ins Hotel – wow, dies mal Eckzimmer mit Sicht auf den Tokyo Tower und grossem Fenster im Badezimmer – mache ich mich auf zum Sonntagsspaziergang. Die Kirschblüte habe ich leider um knapp zwei Wochen verpasst. Im Park des Kaiserpalasts finde ich noch ein paar Bäume in pink nebst unzähligen Vetofahrern und Joggern die dem einsetzenden Regen trotzen. Auch ich suche einen Platz im Trockenen und bin im Café eine ziemliche Herausforderung für den freundlichen Japaner hinter dem Tresen. Ich möchte natürlich eine Lunch-Kombination, die es so nicht gibt. Nach ein paar Erklärungsversuchen und länger werdender Schlange hinter mir gebe ich auf und entscheide mich für eines der Standard-Combos.
Viel einfacher ist es am Abend drauf beim Essen im Restaurant Nobu. Die Speisen werden in abgestimmter Reihenfolge serviert und schmecken einfach: himmlisch! Schon toll, wenn man sich auf Lokal(e)-Kenner verlassen kann. Ich bin komplett lost und wandle in DIE New York Bar zu einem Drink. Die Aussicht ist schlicht grandios!
Der Besuch in unserer Agentur am folgenden Tag lässt mich Bauklötze staunen. Die Platzverhältnisse sind minimal und die Hierarchien bei der Schreibtisch-Ordnung klar geregelt. Am Kopf sitzt der Gruppenchef und ein Einzelbüro hat nur der CEO. Nach dem Business folgt der Lunch im Sushi Restaurant ein paar Strassen weiter. Ich bin sicher, ich habe während des Essens gegen unzählige Regeln verstossen. Schliesslich ist es alles andere als einfach zu registrieren, wie man mit den Stäbchen Muscheln aus der Miso Suppe zu fischen und zu essen hat, Sushi zu kauen (ich schaffe die Dinger einfach nicht in einem Bissen) – dabei nur den Fisch und nicht den Reis in die Sojasauce zu tunken – höflich auf die Fragen aus der Runde zu antworten und dabei im Hinterkopf zu haben, dass ich eigentlich längst auf dem Zug zum Flughafen sein sollte. Ich bin dankbar für die höfliche Zurückhaltung meiner vier Begleiter. Und noch dankbarer, als mich einer bis an den Zug zum Flughafen begleitet. Ticketkauf inklusive.
Müde sinke ich in meinen Sitz. Vor mir die Speisekarte von ANA. Ein Gericht des westlichen Angebotes kenne ich nicht und frage die Flugbegleiterin. Sie lächelt freundlich und sagt: Wissen Sie, wir sind eine Japanische Airline. Sie sollten unser Menü mit lokalen Spezialitäten versuchen. Total spontan – und ein bisschen atypisch für mich wenn es ums Essen geht – sage ich: deal! Was ich da serviert bekomme ist phänomenal – ich schwebe im wahrsten Sinne im kulinarischen Himmel!


Episode 1 – Impressionsoverload 

Es hat über fünf Jahre gedauert, bis ich es im Oktober 2014 zum ersten Mal nach Tokyo schaffe. Dies bereits nach der zweiten Woche in meiner neuen Heimat und meinem neuen beruflichen Umfeld. Die Vorfreude auf die Reise ist demnach riesengross, aber ich bin so schlecht vorbereitet wie wohl kaum zuvor auf eine Reise. Geldwechseln erst nach Ankunft am Flughafen? Diesen Service hat M on tour bis dahin noch nie genutzt. Leicht problematischer entpuppt sich somit der Transfer vom Flughafen Haneda ins Hotel. Ich hatte mich darauf verlassen – hatten die Kollegen schliesslich so versichert – dass es einen Shuttle-Bus ins Hotel gibt… Bevor ich lange umherirre, frage ich beim Information Counter nach dem Weg. Leider weiss die gute Dame dort nichts von eben diesem Bus… Der Weg ins Hotel sei mit der Metro am schnellsten. Ich kombiniere rasch und frage ganz unschuldig, ob Sie mir die Station denn auf der Karte zeigen könne. Uiuiui, sie studiert verschiedene Pläne, Folder und die Karte des U-Bahn Netzes, kritzelt eifrig was aufs Papier und präsentiert mir nach ein paar Minuten überaus freundlich lächelnd meine Reiseroute. Insgesamt drei verschiedene Metro-Linien und ein kurzer Fussmarsch. Gut, DAS sollte zu schaffen sein. Ich lächle freundlich zurück und mache mich auf zur ersten Station. Die Ticket-Automaten sprechen auch Englisch, der nächste Passagier hinter mir, den ich trotz mehreren Versuchen um Hilfe bitten muss, leider nicht. Eine Dame in Uniform steht wie aus dem Nichts neben mir und ist mein erster rettender Engel dieser Reise. Das Ticket ist rasch gelöst und gar an die Quittung hat der Engel gedacht. Next stop wäre das Gate, das den Weg öffnet Richtung Zug. Meine Erfahrung sagt, Grösse des Fahrscheins ist in der Regel auch Grösse des Einschubschlitzes. Etwas hilflos schaue ich vom Mini-Ticket auf den Maxi-Schlitz. Hm, was, wenn dieser Maxi-Schlitz meine Mini-Ticket verschluckt und ich dann ohne dastehe? Entschlossen versuche ich, gänzlich ohne Ticketeinschub durch zu marschieren. Wruummms, die Schranken schliessen sich vor meiner Brust. Engel Nr. 1 – ob sie mich beobachtet hat? – deutet auf den Maxi-Schlitz. Ich lächle. Innerlich über mich.
Bahnsteig. Zug-Anzeige. Zur Sicherheit frage ich noch mal nach, ob der angezeigte Zug denn auch meiner sei. Zug fährt ein und mit mir wieder ab. Nur, es wird mir heiss und kalt, mein Zug war ja erst der zweite der drei auf der Anzeigetafel stand, mit Abfahrt um 20:34 h. Ich sitze aber im ersten! Und die Uhr zeigt 20:32 h. Der lange Flug scheint mich doch mehr ermüdet zu haben als ich wahrhaben wollte… Engel Nr. 2 sitzt gleich neben mir. Zum Glück haben alle Japaner den Fahrplan auf ihrem Smartphone und er zeigt mir auf der Karte flugs die angepasste Reiseroute. Neue Abfahrtszeiten inklusive.

Im Hotelzimmer angekommen verspüre ich nebst Hunger noch ein weiteres Bedürfnis. Ich stosse die WC Türe auf und… bleibe wie angewurzelt stehen. Denn, das Licht geht an und der WC-Deckel öffnet sich automatisch. Uhhh, Erleichterung macht sich breit und… tatsächlich, ich realisiere, die WC Brille ist doch in der Tat geheizt!! Das Studium des Bord-Computers zu meiner Rechten mit diversen Sprüh-, Spühl- und Trockenfunktionen entlockt mir ein breites Grinsen. Kein Wunder heisst die Toilette hier nicht Toi- sondern Washlet.

Der Weg zum Frühstück führt mich erst noch beim Concierge vorbei. Mein Adapter verfügt zwar über gefühlte 20 Kombinationen zur Erschliessung meines iphones an eines der unzähligen Stromnetze dieser Welt. Das 21. Netz in Japan bleibt mir verschlossen. Während mein Smartphone seinen Hunger stillt, betrete ich ein paar Minuten und ein paar Etagen höher den Frühstücksraum und werde galant zum Tisch geleitet; dieser wird dann umgehend mit einem roten „table occupied“-Täfelchen versehen. Eine tolle Erfindung, denn so kann man sich bedenkenlos mehrmals zum Buffet begeben ohne zu befürchten, dass beispielsweise das angefangene Stück Toast gnadenlos abgeräumt worden ist, wenn man mit dem Nachschub an Marmelade und Butter zum Tisch zurückkehrt. Obwohl erst kurz nach sieben ist der Saal bereits gut gefüllt und ich amüsiere mich köstlich über das Publikum. Erst nach ein paar Augenblicken und auch erst, als er sich zum Buffet begibt, nehme ich den Herrn am Nachbartisch wahr. Ich muss mich zusammenreissen, dass ich nicht laut lache. Gilbert Gress auf Japanisch. Vor seinem Deal mit dem neuen Brillen-Ausstatter wohlverstanden. Dafür mit schlechtem Berater in Sachen Toupet. Rundherum wird geschlürft und geschmatzt was das Zeug hält. Ich versuche mich auf was anderes zu konzentrieren und päng… Woooooowww! Erst jetzt nehme ich wahr, dass ich ja in der 33. Etage sitze und sich unter mir Tokyo in seiner vollsten Pracht unter der Herbstsonne erstreckt! Ach, ja, übrigens, Tag zwei stehe ich um 6:58 h vor verschlossenen Türen. Sieben heisst sieben. Eben.

TYO

Auch der Concierge am Fusse des Tokyo Tower nimmt es mit der Zeit ganz genau und lässt mich erst um neun Uhr das Ticket kaufen. Der rot-weisse Turm erinnert mich an den Sendeturm Beromünster.

Weiter geht es mit der Metro nach Asakusa wo ich mich von den schnatternden Menschen entlang der Verkaufsstände mit Touristen-Kitsch zum Sensoji Schrein bugsieren lasse. Überall liegen köstliche Düfte in der Luft und ich staune über die Vielfalt Köstlichkeiten die überall angeboten werden. Mich zieht es stilgerecht in ein Sushi-Lokal. Die Suhsi-Akrobaten auf ihrem Sushi-Zubereitungs-Podest hinter dem Sushi-Förderband erbarmen sich meiner und schütten Tee-Pulver aus dem Tee-Pulver-Töpfchen in meinen Tee-Becher und füllen diesen mit Tee-Wasser aus dem direkt vor meiner Nase an der Sushi-Förderband-Front montierten Tee-Wasser-Hähnchen.

Sushi für Anfänger

Frisch gestärkt mache ich mich auf den Weg nach Shibuya. Ich bin ja schon fast ein kleiner Metro-Pro. Fasziniert stehe ich an DER Kreuzung Tokyos und beobachte die Gezeiten dieser Menschenmassen.
Ein paar Strassen wechselt sich das Bild der schrillen Leuchtreklamen mit einer Baum-gesäumten Allee ab, ich stehe am Omotesando Boulevard. Biegt man von da Quer-Strassen ein, herrscht Quartier-Atmosphäre mit Boutiquen, Cafés und Wohnhäusern. Schon wieder Faszination.
Von da geht es über eine mehrspurige Strasse in den Meiji Jingu Park mit gleichnamigem Schrein. Die Stille und das Grün wirken umgehend entschleunigend. Eine Hochzeitsgesellschaft tritt aus einem Tor. Die Frauen im traditionellen Kimono wirken geheimnisvoll und strahlen eine wunderbare Eleganz aus. Auf einmal spüre ich eine unglaubliche Müdigkeit und realisiere den kompletten Impressionsoverload! Zeit, mich auf den Heimweg zu machen. Zurück im Hotel, Zähne putzen. Ich stosse die Badezimmertüre auf und… wo ich meine Töpfe und Fläschchen am Morgen im üblichen Hotel-Badezimmer-Tohuwabohu zurückgelassen habe herrscht Ordnung. Sämtliche Utensilien liegen geometrisch ausgerichtet auf einem weissen Frottee-Tuch. So geht das.

Auch an den folgenden zwei Tagen werde ich Zeuge von Planung, Ordnung und Protokoll. Schliesslich spule ich in Sachen Business das volle Programm ab: es stehen ein Kunden-, ein Medien- und ein Mitarbeiter-Anlass an. Ich lerne und staune:

  • Die Sache mit dem Übergeben der Business-Karten hatte ich mir ja gedanklich bereits eingebläut. Als es dann aber zum eigentlichen Akt der Übergabe kommt, staune ich Bauklötze über die Virtuosität der Japaner. Das Kartenetui immer so in der Hand, dass bei der Übergabe beide Ecken der eigenen Karte mit beiden Händen gehalten werden können. Dann eine Verbeugung andeuten. Und gleichzeitig die Karte des Gegenübers entgegen nehmen. Mit beiden Händen gleichzeitig wohlverstanden. Ich habe irgendwie immer eine Hand zu wenig.
  • Die Abendveranstaltung nimmt seinen Lauf, den Rednern wird gelauscht und applaudiert, Dessert und Kaffee werden serviert und es folgt der letzte Redner der sich beim Gastgeber bedankt und den Abend beschliesst. Kurz darauf, es ist 21:30 h, stehen alle auf, verabschieden sich und verlassen den Saal. Etwas irritiert beobachte ich das Treiben und wispere meinem Nachbar ins Ohr, was denn jetzt los sei? Tja, der Abend sei jetzt zu Ende. Man gehe nach Hause. Kein Drink an der Bar, kein Haus weiter. Ich setze mich ins Taxi nach Hause. Hervorragend, da kann ich ja noch ein paar Mails beantworten!
  • Tags drauf beim Lunch-Buffet. Diese Eigenheit bringt mich leider vor allem ums Lächeln als um den Hunger und lässt mich mit knurrendem Magen zurück. In Gespräche verwickelt – ich will ja nicht unhöflich sein und mein Gegenüber aufgrund meines maslowschen Grundbedürfnisses stehen lassen – verzögert sich mein Gang zum Buffet. So sind die Schalen, vor denen kleine Täfelchen bis vor kurzem noch leckere Köstlichkeiten angepriesen hatten, leer.

Halb so schlimm. Mit einem breiten Lächeln – ich glaube es hält noch immer an – mache ich mich später auf den Weg zum Flughafen. Die Eindrücke der letzten drei Tage sind (Geistes-)Nahrung genug.

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