Korrekt. Gut beobachtet. Wir befinden uns für einmal nicht im Osten sondern im Westen dieser Welt. Klar, hätte auch Spanien sein können. Aber wer fliegt für Silvester schon nach Spanien wenn es Florida sein kann? Nur, Spanisch? In Florida? Und wie. Und dann aber gar nicht für Anfänger!
Der Beamte bei der Einreise am Flughafen Miami legt – völlig unerwartet für Amerikanische Verhältnisse am Zoll – die Latte der Freundlichkeit schon mal sehr hoch. Mit wenigen Ausnahmen (und die waren so marginal, dass ich sie bereits in den Gedanken gestrichen habe) bleibt dies die nächsten paar Tage genau so. Eine wunderbare Abwechslung im Vergleich zur kühlen Zurückhaltung im zwischenmenschlichen Umgang in vielen asiatischen Kulturen. Erste Station ist Key West ganz im Süden Floridas. Wo wir weiter südlich dann irgendwann in Kuba stranden würden, würden wir mit der wunderbaren Yacht einfach weiter segeln. Nach rund zwei Stunden geht es leider zurück an Land. Schliesslich müssen wir, mit zig anderen, den Sonnenuntergang sehen. Zugegeben, er ist wirklich spektakulär. (Auch all die weiteren Unter- und Aufgänge die noch folgen, sind allesamt nahe am Kitsch!) Witzig an diesem ist aber vor allem, weil irgendwann ein Schiff vor der Menschenmenge am Pier kreuzt, auf welchem die (ich gehe mal davon aus) Hochzeitsplanerin ein Schild in die Höhe streckt auf dem steht: she said yes. Applaus haben die beiden auf sicher.
Die Rückfahrt gen Norden über diverse Brücken ist spektakulär. Um uns herum einfach nur türkis blaues Wasser und ebensolcher Himmel.
Bei der Weiterfahrt durch die Everglades Richtung Westen wandelt sich dies und die Szenerie besteht aus Bäumen, Sträuchern und Wasserläufen. Alligatoren inklusive. Die Fahrt mit einem Airboat durch die Mangroven ist trotz Lärm ein Erlebnis und wir erfahren einiges über diese speziellen Pflanzen und die kleine Version von Krokodilen.
In Naples dürfte die eine oder andere Handtasche aus deren Leder getragen werden. Das ist nämlich eine der US Städte mit der höchsten Millionärsdichte! In der Tat laufen die Anwesen manchem Palazzo in Italien den Rang ab und die Haupteinkaufsstrasse besticht mit wunderbaren Lokalen und Läden. Würde man dann aber Arroganz erwarten, Fehlanzeige! Auch hier: freundliche, gut gelaunte, Spanisch sprechende Menschen. Am nächsten Morgen – nach dem Frühstück aus Pappbechern und -tellern was einfach nicht so ganz ins Bild dieser schönen Stadt passen will – gesellen wir uns zu den Locals auf den Pier. Dort scheint sich ‚tout Naples‘ beim Fischen, walken oder einfach nur zu einem Schwatz (auch hier wiederum ist immer wieder Spanisch zu hören) zu treffen. Wir sind die Exoten. Ähnlich wie die Delphine, die plötzlich weiter draussen vorbeiziehen. Unbegrenzte Möglichkeiten eben.
Wir müssen weiter. Wollen ja schliesslich Silvester in Miami Beach verbringen und düsen auf dem schnurgeraden Highway zurück an die Ostküste. Irgendwo im Nirgendwo dann plötzlich ein Achtung-Strassen-Schild auf dem steht: state prisoner at work (Gefangene an der Arbeit). Leider ist unser Tempo zu flott für ein Foto für die Sammlung ‚Texte ohne Worte‘, von denen es bereits ein paar andere von dieser Reise gibt. Und aussteigen und zurückgehen… Hm, nein, das ist jetzt für einmal keine Option.
Nachdem unsere Susie (die Stimme aus dem Navi) die letzten paar Stunden eine ruhige Kugel geschoben hat, ist sie – plötzlich mitten auf sechs spurigen Autobahnen – ziemlich gefordert. Meine Chauffeuse auch. Aber sie macht das wunderbar und Minuten später biegen wir fast in den (autofreien) Espanola Way ein. Wir kriegen grad noch die Kurve und brauchen nach dieser langen Fahrt erst mal einen Apéro; rund um uns Menschenmengen, die sich bereits in Silvestermontur über Fajitas, Burger & Co. hermachen. Auf uns wartet – etwas gepflegter – ein Tisch bei Smith&Wollensky, einem der besten Steakhouses der Stadt. An den Tisch, den Mann uns zuerst zuweist, würden sich aber nicht mal Katzen setzen… Äxgüsi, aber so nicht! Beim zweiten Anlauf werden unsere Erwartungen erfüllt. Also dann: Ahora ràpido, muchacho, sag ich. Aber natürlich nur so, dass es keiner ausser uns hört. Wir wollen es mit Muchacho grad jetzt – wir haben Bärenhunger – lieber nicht verderben…. Nach einem Silvester-würdigen Dinner zeigt die Uhr eine gute halbe Stunde vor Mitternacht. Wir befinden uns am Ocean Drive in mitten einer festwütigen Horde als es gut 10 Minuten vor Mitternacht zu regnen beginnt…. Ich weiss bis heute nicht, wie Claudia es schaffte, inmitten bestellwütiger Jungs an der Bar zwei Drinks für uns zu bestellen so dass wir – ziemlich tiefenentspannt – aufs neue Jahr anstossen können.
Die nächsten zwei Tage verbringen wir unter anderem mit einer geführten Tour, auf der wir alles über Entstehung und Entwicklung der Stadt und ihrer ‚Art Déco‘ Architektur erfahren. Auf Key Biscayne folgen wir den Spuren der ersten Siedler, erklimmen die Stufen des Leuchtturmes und stärken uns im Anschluss bei einem ähnlichen spektakulären Blick auf die Stadt bei einem etwas anderen typisch amerikanischen Frühstück. Der Besuch der Wynwood Walls im Art District Miami ist wahnsinnig eindrücklich, der Besuch in Downtown Miami ernüchternd.
Am Tag der Abreise zeigt uns Miami dann voll die kalte Schulter. Über Nacht ist das Thermometer über zehn Grad gefallen und wir löffeln schlotternd unser Müesli. Die Bedienung verschüttet beim Servieren die Hälfte des Kaffees auf den Boden. Aufwischen? Ahora tranquilo, Muchacha. Später.